Als schönes Zeitgemälde funktioniert es allemal

„Alma & Oskar“ von Dieter Berner

von Renate Wagner

Alma & Oskar
Österreich 2023

Regie: Dieter Berner
Mit: Emily Cox, Valentin Postlmayr, Cornelius Obonya u.a.
 
Alma ohne Ende, und dazu braucht sie gar nicht Paulus Manker, der für sich eine Lebensbeschäftigung aus ihrer Geschichte gemacht hat. Alma Schindler, als Tochter eines berühmten Malers in Wiens Künstlerkreise der Jahrhundertwende hinein geboren, heiratete nach ein paar Promi-Liebschaften in ihrer Jugend (Klimt, Zemlinsky) dreimal in die A-Klasse der Kunst hinein: mit Gustav Mahler den berühmtesten Komponisten und Dirigenten seiner Zeit; mit Walter Gropius einen hoch begabten Architekten, dessen Name für immer mit der „Bauhaus“-Avantgarde verbunden ist; und schließlich mit Franz Werfel einen vielschreibenden Erfolgsautor, ja, und da war noch Oskar Kokoschka, der expressionistische „Oberwildling“ der Malerei, mit dem sie eine wilde Affäre hatte, die sich immer wieder mit Gropius überschnitt – mit der Treue nahm es Alma nie so genau.
 
Für die Autorin Hilde Berger war Alma ein Faszinosum, ihre Romanbiographie über sie und Kokoschka existiert schon einige Jahre. Nun ist die Umsetzung in ein Drehbuch und die Verfilmung geglückt, wobei Berger-Gatte Dieter Berner dafür sorgte, daß hier kein schräg-experimentelles Filmwerk daraus wurde, sondern ein Biopic, das in seiner Zeit verbleibt und eine Geschichte zweier extremer Persönlichkeiten im historischen Faltenwurf so nacherzählt, wie sie vielleicht gewesen sein kann. Das mag in Zeiten des Interpretations-Wahnsinns altmodisch erscheinen, legitim ist es allemal.
Zuerst wird noch auf die letzte Phase der unglücklichen Ehe mit Gustav Mahler zurück geblendet, den Alma schon mit Gropius betrogen hatte, dann schwelgt sie geradezu in der ersten ihrer groß ausgespielten Witwen-Rollen (der arme Walter Kobera muß einen unfähigen Dirigenten spielen, der von ihr gegen Bruno Walter ausgetauscht wird) – und dann kam Kokoschka.
 
Alma war damals 33 Jahre alt, eine schöne, berühmte Witwe, Kokoschka 26, schon tief in die Künstlerkreise eingetaucht und doch noch ein wenig der Bursche vom Lande – und sofort stürmisch und besitzergreifend in Alma verliebt. Der Film taucht in die Sexualität, aber auch in die künstlerische Ebene der Beziehung ein, denn schließlich wurde Alma lange seine Muse, sein „Modell“. Aber sie hatte neben ihm noch ein sehr ausgefülltes Leben, was ihn ebenso störte wie der Geist Mahlers und die Realität von Gropius, mit denen sie ihn ohne besonderes Zartgefühl konfrontierte.
Der Film zeichnet auch, wenn auch eher kursorisch, die Welt der beiden, Almas Stiefvater, die Kaffeehausgesellschaft, die Vermarktung von Bildern einerseits, des Mahler’schen Werks andererseits. Da blieb für den jungen Mann, der sich an keinerlei Regeln hielt und vor skandalösem Benehmen in der Öffentlichkeit keine Angst hatte, nach seinem Geschmack zu wenig Aufmerksamkeit. Und der immer fordernde Liebhaber wurde ihr schlicht gesagt zu anstrengend, auch wenn sie die Außerordentlichkeit seines Talents anerkannte. Die Idee, ihn zu heiraten, fand sie lächerlich. Daß sie sich im ruhigeren Fahrwasser bei Gropius bald langweilen würde, wußte sie damals ja noch nicht…
 
Der Weltkrieg, wo Kokoschka einrücken mußte und wo er schwer verletzt wurde, half Alma, die Beziehung zu beenden. Unheimlich die Szene, wo er im Spital zu einem Sarg geht, diesen gewaltsam öffnet – und da liegt Alma. Es ist die Puppe, die er sich in seiner Verrücktheit als „Ersatz“ für die wahre Alma anfertigen ließ – eine Obsession, die Geschichte gemacht hat, so wie die Bilder, die er von ihr (und von sich und ihr) malte, in die Kunstgeschichte eingingen.
Für eine so aufgeregte Geschichte ist der Film fast ruhig erzählt. Die Hauptrollen wurden eindeutig nach Ähnlichkeit mit den historischen Vorbildern gewählt – Emily Cox hat tatsächlich Ähnlichkeit mit den Fotos, die man von Alma kennt. Erotisches Flair strahlt sie allerdings nicht aus. Ein so „eckiges“ Gesicht, wie es der originale Oskar Kokoschka hatte (auf Fotografien nachzuprüfen), war nicht zu finden, aber Valentin Postlmayr spielt ihn rabiat und linkisch zugleich, wie man ihn sich gut vorstellen kann.
Von den übrigen Figuren, die eher vorbei marschieren als mitspielen, gewinnen wenige Konturen, und wer im Publikum das „Personal“ von damals nicht kennt, wird sich auch mit der Identifikation schwer tun. Cornelius Obonya scheint zum Spezialisten für unsympathische Figuren geworden zu sein – man kann sich gut vorstellen, daß Thronfolger Franz Ferdinand seine Abneigung gegen moderne Kunst so oder ähnlich artikulierte.
Um die Wahrheit zu sagen: ein Kokoschka-Gemälde hat mehr explosive Kraft als der ganze Film. Aber als schönes Zeitgemälde funktioniert er allemal.
 
 
Renate Wagner